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Die folgenden Zeilen zum besten Verteidiger aller Zeiten sind dem Buch „Eishockey – alles, was man wissen muss“ von Sebastian Böhm entnommen. Kauft Euch das Buch, es ist sehr gut. Am besten beim Buchhandel um die Ecke.
Bobby Orr ist längst größer als die unglaublichen Zahlen, die nach seiner viel zu kurzen Karriere notiert wurden: Orr ist der einzige Verteidiger, der neun Hattricks erzielt hat, er war der erste, der 30 Tore in einer Saison geschossen, der erste, der 40 Tore geschossen hat, der erste Spieler überhaupt, der 100 Tore in einer Spielzeit vorbereitet hat, er ist der einzige Verteidiger, der die Scorerliste der NHL angeführt hat (und das gleich zweimal) und er ist der einzige Spieler, der in einer Saison die Art-Ross-Trophy für den Topscorer, die Hart-Trophy für den wertvollsten Spieler und die Conn-Smythe-Trophy für den wertvollsten Play-off-Spieler überreicht bekommen hat.
Orr hält nahezu alle Verteidigerrekorde. In der ewigen Punkte-pro-Spiel-Rangliste belegt er mit 1,393 Punkten/Spiel Rang fünf – als Verteidiger! Aber noch einmal, die Zahlen alleine werden seiner Größe und seiner Bedeutung für das Eishockey nicht gerecht. Als The Hockey News gegen Ende des zweiten Jahrtausends wieder einmal Autoren, Journalisten, Fernsehexperten und -kommentatoren dazu aufrief, die 100 besten Spieler der Geschichte zu wählen, reagierte der Beste beschämt auf das Ergebnis – Wayne Gretzky hätte Bobby Orr gewählt. „Wenn er sich in Bewegung setzte, war das einzigartig, eine Sensation: Die Canadiens begannen in leichter Panik zurückzurudern, wie Strandspaziergänger beim Anblick einer Monsterwelle“, schrieb Ken Dryden in seinem Buch The Game. „Er hat dabei andere mitgezogen; er wollte sie miteinbeziehen. Das hat ihn so außergewöhnlich gemacht, er kam über dich wie eine fünfköpfige Stampede – und das in seinem Tempo. Er hat seine Kollegen angetrieben, wenn du mit dem besten Spieler der Liga spielst und er dir den Puck überlässt, willst du nicht derjenige sein, der es vermasselt. Du musstest besser sein, als du es jemals zuvor warst.“
Orrs größtes Kunststück aber war es, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein – oder zum richtigen Zeitpunkt über den richtigen Ort zu fliegen. Am 10. Mai 1970 waren im vierten Finalspiel zwischen den Bruins und den St. Louis Blues 60 Minuten und 40 Sekunden gespielt, beide Teams hatten jeweils drei Tore geschossen, als Orr den Puck im Drittel der Blues hielt. „Wenn ich die Scheibe nicht erwische, laufen wir in einen 2:1-Konter. Da hatte ich ein bisschen Glück“, erzählte er später dem Autor Andrew Podnieks für dessen Buch The Goal: Bobby Orr and the Most Famous Shot in Stanley Cup History. Der erfahrene Fotograf Ray Lussier vom Boston Record-American hatte einen Sitzplatz direkt an der Eisfläche zugewiesen bekommen, doch als die Zamboni die Eisfläche für die Verlängerung präparierte, gab Lussier seinen begehrten Platz auf, um ein Foto vom entscheidenden Tor für die Bruins schießen zu können. Hätte der nachrückende Orr den Puck verfehlt, hätte Lussier gar kein Foto gehabt. Es heißt, dass Lussier eine freie Fotografenluke fand, weil ein durstiger Kontrahent noch immer am Bierstand wartete. Lussier sah also durch den Sucher den Doppelpass zwischen Phil Esposito und Orr, er sah, dass St. Louis‘ Torhüter Glenn Hall seine Schienen leicht öffnete und er sah, dass Blues-Verteidiger Noel Picard zu spät kam und Orr nur noch das linke Bein wegziehen konnte. Klick. Das Foto des fliegenden Orr, sein Schrei, seine emporgestreckten Arme, die Verachtung im Gesicht Picards, die aufspringenden Zuschauer – das wurde zu einer Ikone des Eishockeys und mit ihm der junge Bobby Orr.
Was man auf dem Bild nicht sieht, sind Operationsnarben auf Orrs linkem Knie, die Schmerzen, die er da bereits hatte. Sein linkes Knie verhinderte seine Teilnahme an den Summit Series 1972, aber selbst auf einem Bein blieb er der beste Spieler der Welt – bis er seine große Karriere am 8. November 1978 unter Tränen im Trikot der Chicago Blackhawks beendete. Nicht einmal ein Jahr später wurde er bereits in die Hall of Fame aufgenommen und stellte selbst dabei einen allerdings tragischen Rekord auf. Mit 31 Jahren war er der jüngste Spieler, der jemals in die Ruhmeshalle berufen wurde.
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